„Beeil
dich!“ rief Simon seinem Bruder Andreas zu.
Andreas ruderte etwas schneller. „So, das reicht,
wir sind weit genug vom Ufer entfernt. Und jetzt
an die Arbeit!“ Simon und Andreas packten beide
zu, um das schwere Netz über die Bordwand in
den See Genezareth gleiten zu lassen. „Vielleicht
machen wir heute einen besonders guten Fang“,
meinte Andreas, „unsere Kasse würde sich
freuen!“ „Vielleicht“, erwiderte
Simon wortkarg. Er war heute nicht sehr zum Sprechen
aufgelegt. „He, sieh mal, wer da kommt!“
Andreas stieß Petrus mit dem Arm in die Seite
und zeigte ans Ufer. „Ist das nicht der Prediger
aus Nazareth, der gestern in der Synagoge so zündend
vom Reich Gottes gesprochen hatte?“ „Ja“,
sagte Petrus, „er ist es.“ „Du, schau
mal, er winkt. Was will er? Der meint ja uns“,
wunderte sich Andreas, „eindeutig, er winkt
uns zu sich!“ „Los, ziehen wir das Netz
wieder ein. Mal sehen, was der will“, sagte
Petrus, und schon hievten beide das schwere Netz
wieder an Bord. „Moment!“ schrie Petrus,
„wir sind gleich da!“ Andreas ruderte
mit kräftigen Zügen.
Während der kurzen Fahrt zum Ufer überlegten
beide still für sich, was wohl der Prediger
aus Nazareth von ihnen wollte. Sie mussten an den
gestrigen Abend denken. „Die Zeit ist reif.
Das Reich Gottes ist da. Kehrt um, stellt euch darauf
ein, glaubt an diese frohe Botschaft!“: das
war, kurz gesagt, der Sinn der Predigt des Mannes
aus Nazareth. Gottes Herrschaft angebrochen – wie
schön, wenn das wahr wäre! Mit Begeisterung
hatten viele Leute aus Kapernaum diese Predigt gehört.
Gottes Reich ganz nahe: Bedeutete das nicht das
Ende der heidnischen römischen Fremdherrschaft,
die Gottes Volk, die Juden, unterdrückte? Bedeutete
das nicht das Ende von Angst und Zweifeln? Würden
die Menschen jetzt endlich Gott schauen dürfen,
den Gott, der ihnen oft so verborgen und manchmal
auch so unverständlich und fremd vorkam?
Auch Andreas und Simon waren von dem fremden Prediger
sehr angetan. Er hatte so faszinierend und glaubwürdig
gesprochen. Sie hatten beide das Gefühl: Dieser
Mann ist etwas Besonderes, auch wenn sie es nicht
erklären konnten. Woher wusste er, dass das
Reich Gottes ganz nahe ist? War er ein neuer, von
Gott gesandter Prophet?
Sand scheuerte unter dem Boot. Sie waren am Ufer
angelangt. Petrus und Andreas stiegen aus und grüßten
scheu den fremden Prediger. Der lächelte sie
an, wies auf das nasse Netz und sagte: „Ihr
Fischer, kommt zu mir. Geht mit mir mit. Ihr sollt
mich auf meinen Wegen durch das Land begleiten.
Ich will euch von Gott und seinem Reich erzählen.
Und ihr sollt mir dabei helfen, die frohe Botschaft
von der Nähe des Reiches Gottes allen Menschen
zu verkündigen. Ihr seid Fischer. Das habt
ihr gelernt. Ihr sollt Fischer bleiben, doch so,
wie ich es euch lehre. Ich will euch zu Menschenfischern
machen!“
„Donnerwetter!“ Simon Petrus und Andreas
blieb die Luft weg. Alles hatten sie erwartet, nur
das nicht. Was sollten sie tun? Die Netze und das
Boot und ihre Familien zurücklassen und mit
diesem Wanderprediger mitgehen – wer weiß,
wohin? „Das kommt ein bisschen sehr plötzlich“,
dachten sie. Und dann schauten sie ihn an, diesen
Jesus aus Nazareth, wie er sie einladend anlächelte.
Ein Blick liebevoller Wärme! „Warum kommt
er gerade zu uns? Es gibt doch genügend andere
Leute hier“, fuhr es ihnen durch den Kopf.
Simon und Andreas schauten einander an. Sollten
sie sich darauf einlassen? Petrus nickte Andreas
zu, Andreas dem Petrus. Von Gott und seinem Reich
wollten sie gerne viel mehr hören. Und dieser
Wanderprediger hatte es ihnen angetan.
„Ist gut“, rang sich Simon schließlich
zu einer Antwort durch, „ist gut, ich gehe
mit dir." „Ich auch“, sagte Andreas.
Er hatte bislang alles mit seinem Bruder gemeinsam
gemacht. Warum sollten sie nicht auch dieses Abenteuer
gemeinsam bestehen? Jesus umarmte die beiden Fischer,
die es wagten, mit ihm zu gehen, um seine Jünger
zu werden. „Was dabei wohl herauskommt?“
dachten Simon und Andreas, als sie sich mit Jesus
auf den Weg machten.
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