Der Mensch in Gottes Schöpfung (1. Mose 1–3)

 
Vorbemerkung: Von grundlegender Bedeutung für das Verständnis des Menschen und seines Verhältnisses zu Gott sind die biblischen Schöpfungsgeschichten. Wir werden uns darum zu Beginn unseres Bibelkurses mit nur 3 Kapiteln Bibel ausnahmsweise et- was eingehender beschäftigen.
  
1. Die Schöpfungsgeschichten sind Glaubensbekenntnisse
   
a)
Die Schöpfungsgeschichten antworten nicht auf die naturwissenschaftliche 
Frage: Wie ist die Welt entstanden? 
Am Anfang der Bibel werden uns zwei Schöpfungsgeschichten überliefert. Nach der Ersten schafft Gott die Welt in sieben Tagen (1. Mose 1,1 – 2,4a). Die Zweite kennen wir unter der Überschrift: „Das Paradies“, obwohl dort gar nicht vom Paradies, sondern vom „Garten Eden“ die Rede ist.
AB (= Arbeitsbogen) 2 Nr.2  und werden besprochen:
 
2. Lesen Sie 1.Mose 1,1 – 2,25. Beantworten Sie danach folgende Fragen:
 
 Wann schuf Gott den Menschen nach der ersten Schöpfungsgeschichte (1. Mose 
      1,1 – 2,4a)?
Wann schuf Gott den Menschen nach der zweiten Schöpfungsgeschichte (1. Mose 
      2,4b–25)?
 
Wir naturwissenschaftlich geprägten Menschen der Gegenwart sind sehr daran inte- ressiert herauszufinden, wie die Welt entstanden ist. Von dieser Fragestellung her le- sen viele Menschen dann gewöhnlich nur die erste Schöpfungsgeschichte (1. Mose 1,1 – 2,4a), nach der Gott in sieben Tagen in einer bestimmten Reihenfolge die Erde, die Pflanzen, die Himmelskörper, die Tiere und zum Schluss die Menschen schuf. In der Schule oder in naturwissenschaftlichen Fachbüchern erfahren sie dann, dass es so wohl nicht gewesen sein wird. Enttäuscht wenden sich viele dann von der Bibel ab. Sie finden, dass dieses Buch doch wohl nicht Gottes Wort sein kann, wenn es eine so „unwahre“ Beschreibung der Weltentstehung enthält. Naturwissenschaftliche Er- kenntnis wird hier gegen die (erste) biblische Schöpfungsgeschichte ausgespielt, weil man die Bibel zum einen nicht ganz zur Kenntnis genommen hat, und weil man zum anderen mit falschen Fragestellungen an die Bibel herangegangen ist. 
   
Liest man etwas weiter, dann stößt man auf die zweite Schöpfungsgeschichte (1. Mose 2,4b–25). Nach ihr schuf Gott zuerst den Menschen, legte dann einen schönen Garten an und setzte dort den Menschen als Gärtner ein. Danach schuf er die Tiere. Beide recht unterschiedlichen Schöpfungsdarstellungen stehen direkt nebeneinander. Wenn es den Überlieferern der Bibel darum gegangen wäre, darzustellen, wie die Welt entstanden ist, dann hätten sie eine der beiden Schöpfungsgeschichten strei- chen müssen. Denn Gott kann nicht einmal den Menschen als letztes Lebewesen erschaffen haben, das andere Mal als erstes. 
AB 2 Nr.2 wird besprochen: 
 
2. Lesen Sie 1.Mose 1,1 – 2,25. Beantworten Sie danach folgende Frage:

Ist es Ihrer Meinung nach die Absicht der beiden Schöpfungsgeschichten, uns genaue
      Kenntnisse über die Weltentstehung und das Werden des Menschen mitzuteilen?
 

Auch die Menschen, die die verschiedenartigen Schöpfungsgeschichten nebeneinan- derstellten, haben die Unterschiede durchaus bemerkt. Aber sie haben sich nicht da- ran gestört, denn es ging ihnen vorrangig nicht darum, uns etwas über das „Wie“ der Weltentstehung mitzuteilen. Sondern sie interessierten ganz andere Fragestellungen: Wer hat alles erschaffen? Und: Wozu wurden Welt und Menschen erschaffen? Auf diese Fragen geben beide so unterschiedlichen Schöpfungsgeschichten die gleiche Antwort.
   
b) Wozu erschuf Gott den Menschen?
AB 2 Nr.2 ƒ wird besprochen: 
 
2. Lesen Sie 1.Mose 1,1 – 2,25. Beantworten Sie danach folgende Frage:
 
ƒ Betrachten Sie die Abbildungen zur ersten und zweiten Schöpfungsgeschichte und
      denken Sie ein wenig über die Stellung des Menschen innerhalb des Geschaffenen 
      nach, wie sie in den beiden recht unterschiedlichen Schöpfungsgeschichten zum 
      Ausdruck kommt. 

     Wie würden Sie die Stellung des Menschen charakterisieren?
 

Die erste Schöpfungsgeschichte kann man sehr schön in Form einer Pyramide dar- stellen. So wird sichtbar, dass der Mensch den höchsten Rang innerhalb alles Ge- schaffenen und auch die höchste Stellung von allen Geschöpfen hat. Die zweite Schöpfungsgeschichte lässt sich mit ineinander liegenden Kreisen veranschaulichen. Der Mensch ist danach der Mittelpunkt von Gottes Schöpfung. 
   
Beide Geschichten antworten ganz ähnlich auf die Frage, wozu der Mensch geschaf- fen wurde: Gott hat dem Menschen in seiner Schöpfung eine besondere Rolle zuge- wiesen. Er ist die „Krone der Schöpfung“, er hat eine Herrschaftsstellung (1. Mose 1,28; 2,15.19). Ein anderer Schöpfungstext – der 8. Psalm – bringt die hoheitliche Stellung des Menschen so zum Ausdruck: DU (Gott) HAST IHN (den Menschen) ZUM HERRN GEMACHT ÜBER DEINER HÄNDE WERK, ALLES HAST DU UNTER SEINE FÜSSE GETAN: SCHAFE UND RINDER ALLZUMAL, DAZU AUCH DIE WILDEN TIERE, DIE VÖGEL UNTER DEM HIMMEL UND DIE FISCHE IM MEER UND ALLES, WAS DIE MEERE DURCHZIEHT (Ps 8,7–9).
  
c) Wer hat die Welt erschaffen?
Beide Schöpfungsgeschichten antworten Gleiches auch auf die Frage, wer die Welt erschaffen hat. Entsprechend heißt es in den Überschriften zu beiden Geschichten: AM ANFANG SCHUF GOTT HIMMEL UND ERDE (1. Mose 1,1); ES WAR ZU DER ZEIT, DA GOTT DER HERR ERDE UND HIMMEL MACHTE (1. Mose 2,4b). Beide Geschichten bekennen damit: „Himmel und Erde“, also die ganze Welt, sind nicht auf die von den Heiden angebeteten Götter, nicht auf irgendwelche Schicksalsmächte und auch nicht auf einen Zufall zurückzuführen. Sondern die Welt gründet im Willen des Herrn, des Gottes Israels. Er ist der Schöpfer. Welt, Erde, Lebewesen und Menschen sind seine Schöpfung und entsprechend sein Eigentum (Ps 24,1 soll vorgelesen werden). Dies ist keine naturwissenschaftliche Aussage, sondern ein Glaubensbekenntnis. Denn der Bibel geht es nicht um naturwissenschaftliche Informationen, sondern um eine Botschaft des Glaubens.
 
d) Naturwissenschaft und biblische Schöpfungsgeschichten ergänzen einander
Wenn wir wissen wollen, wie die Welt entstand, dann sollten wir ein den gegenwär- tigen Forschungsstand wiedergebendes naturwissenschaftliches Werk zu Rate zie- hen, aber nicht die Bibel. Wenn wir aber wissen wollen, wer die Welt erschaffen hat und wozu wir Menschen da sind, dann sollten wir nicht die Naturwissenschaft befra- gen, sondern die Bibel. Man braucht also naturwissenschaftliche Welterklärung und biblische Schöpfungsdarstellungen nicht gegeneinander auszuspielen, sondern beide unterschiedlichen Weisen der Weltbetrachtung können einander ergänzen.
    

   

Kursleiter P. legt eine Folie mit dem Weltbild des Auges auf den OHP.

Zeitbedingt ist dagegen die hinter der ersten Schöpfungsgeschichte (und anderen bi- blischen Texten) stehende Anschauung von der Welt. Sie entspräche unserer subjek- tiven Weltsicht, wenn wir keine naturwissenschaftlichen Kenntnisse hätten. Wenn wir etwa am Meeresstrand stehen, erleben wir das Wasser als am Horizont endende run- de Scheibe und den blauen Himmel über uns als riesenhafte Glocke. Sonne, Mond und Sterne erscheinen uns als „Leuchten“ am „Himmelszelt“. Dieses „Weltbild des Auges“ wird in der ersten Schöpfungsgeschichte in den Versen 1. Mose 1,6–10.14 vorausgesetzt. Auch über dem Himmelszelt befindet sich nach dieser Weltsicht Was- ser  (1. Mose 1,7), wie die gleiche Farbe von Wasser und Himmel bestätigt; ferner kom- mt das Regenwasser von oben, wenn sich die FENSTER DES HIMMELS öffnen (1. Mose 7,11). Die eigentlichen Aussagen der Schöpfungsgeschichten (Wer hat alles geschaf- fen? / Wozu wurde der Mensch erschaffen?) bleiben von dem naturwissenschaftlich überholten „Weltbild des Auges“ unberührt.

   
2. UND SIEHE, ES WAR SEHR GUT (1.Mose 1,31)
   
a) Die Schöpfung ist nach Gottes Urteil  sehr gut
Die erste Schöpfungsgeschichte beschließt den Schöpfungsvorgang mit einem Urteil Gottes, nicht des Menschen: UND GOTT SAH AN ALLES, WAS ER GEMACHT HATTE, UND SIEHE, ES WAR SEHR GUT (1. Mose 1,31). Das hebräische Wort für „gut“ meint soviel wie „gut für ...“, „zweckmäßig“, „sachgemäß“, „es erfüllt seine Aufgabe“. Gott hat die Welt so geschaffen, dass Leben „sehr gut“ möglich ist. Er hat der Welt Ordnungen gegeben wie den lebensnotwendigen Wechsel von Tag und Nacht oder die Aufeinanderfolge der Jahreszeiten. Pflanzen, Tiere und Menschen können sich unter den Ordnungen der Natur auf dem Lebensraum Erde entfalten, sich vermehren, fortpflanzen und die Erde füllen (1.Mose 1,11.22.28).
     
UND SIEHE, ES WAR SEHR GUT: Gott prägt seiner Schöpfung sozusagen ein „Gü- tesiegel“ auf. Doch wir Menschen leben „jenseits von Eden“. Unsere Erfahrung von Leid und Unheil in dieser Welt lässt uns Gottes Beurteilung in Frage stellen. Darum widersprechen gewisse Religionen und Philosophien dem Urteil Gottes, lehren einen Dualismus (dual = zweiheitlich) und teilen die Welt in zwei gegensätzliche Bereiche ein: Minderwertig, schlecht oder gar böse ist der irdisch materielle Bereich, zu dem auch die Körperlichkeit gehört; gut ist dagegen das geistige, seelische oder auch geistliche Leben und Streben. 
     
Auch wir Christen sind von solchem Denken nicht unbeeinflusst: Die Verteufelung der Sexualität, dieses sinnlich-starken Ausdrucks unserer Körperlichkeit, (nur?) in frühe- rer Zeit ist gerade im Zusammenhang mit den Schöpfungsgeschichten an erster Stel- le als Beispiel für die Abwertung bestimmter Bereiche der Schöpfung zu nennen. Bei- de Schöpfungsgeschichten würdigen dagegen die Geschlechtlichkeit des Menschen positiv. Nach 1. Mose 1,27b hat Gott die Menschen zweigeschlechtlich geschaffen ALS MANN UND FRAU. Die zweite Schöpfungsgeschichte stellt den tiefen Sinn der Zweigeschlechtlichkeit mit der köstlichen Geschichte von der Erschaffung der Frau aus der Rippe des Mannes dar (1. Mose 2,21–25). Diese Geschichte darf nicht biologisch missverstanden werden. Männer haben nicht eine Rippe weniger. Das wusste auch der Erzähler. Doch mit seiner Geschichte will er Wichtiges über das Wesen der Gemeinschaft von Mann und Frau aussagen: Eheliches Leben soll gegenseitige Lebenshilfe sein (1. Mose 2,18 soll vorgelesen werden); die Gemeinschaft von Mann und Frau soll zu tiefer ganzheitlicher, d.h. geistiger, seelischer und auch körperlicher Vereinigung führen, so dass Eheleute EIN FLEISCH (1. Mose 2,24), also eine Einheit in der Zweiheit werden (s. auch Mt 19,3–6).
    
Das Urteil Gottes UND SIEHE, ES WAR SEHR GUT bezieht sich auch auf uns Menschen in unsrer Ganzheitlichkeit. Mit meinem Körper, meiner Seele und meinem Geist, mit meinen Begabungen und Stärken, aber auch mit meinen Schwächen und Begrenzungen bin ich Gottes gutes Geschöpf, bin ich ein „Schaf in der Herde Gottes“, darf ich der Liebe und Fürsorge meines göttlichen Hirten gewiss sein: Denken Sie an den 23. Psalm, den Sie zu heute gelesen haben.
   
Gottes „Gütesiegel“ will mir also helfen, mich selber, meine Mitmenschen und auch die Welt anzunehmen. Es hilft mir ferner, kritisch gegenüber negativen Urteilen über Gottes Schöpfung zu werden. Gut ist Gottes Schöpfung, böse ist oft, was Menschen dar-aus machen. In Ps 104 – einem Schöpfungspsalm – heißt es z.B.: DER WEIN ERFREUT DES MENSCHEN HERZ (V. 15). Nicht die Schöpfungsgabe Wein, sondern übermäßiges Trinken ist vom Übel. Aus dem Rohstoff Eisen kann man Verderbliches und Gutes, kann man Schwerter, aber auch Pflugscharen herstellen (vgl. Micha 4,3).
   
b) Auf den sachgemäßen Umgang mit der Schöpfung kommt es an
Die Bibel bekennt: Gottes Schöpfung ist SEHR GUT. Die Frage ist, ob wir Menschen auch immer „gut“, d.h. „sachgemäß“ damit umgehen. Wir haben zwar eine Herr- schaftsstellung innerhalb der Schöpfung, aber das bedeutet nicht, dass wir in Gottes Schöpfung tun und lassen können, was wir wollen. Sondern DIE ERDE IST DES HERRN, DER ERDKREIS UND DIE DARAUF WOHNEN (Ps 24,1). Wohl hat Gott den Menschen ZUM HERRN ÜBER DAS WERK SEINER HÄNDE GEMACHT (Ps 8,7; 1. Mose 1,28). Doch nur unter bestimmten Voraussetzungen können wir unserem Auftrag in und an der Schöpfung auch sachgemäß und segensreich nachkommen. Darüber sagen die Schöpfungsgeschichten Wichtiges aus:
   
3. Gott schafft sich im Menschen ein verantwortliches Gegenüber mit Entscheidungsfreiheit
     
Nach der ersten Schöpfungsgeschichte SCHUF GOTT DEN MENSCHEN ZU SEINEM BILDE (1. Mose 1,27a). Diese zentrale biblische Aussage wird oft missverstanden in dem Sinne, dass Gott den Menschen nach seinem Bilde, d.h. nach seinem eigenen Aussehen geschaffen habe. Der Mensch wäre dann ein Abbild Gottes in „Miniformat“. Das ist jedoch nicht gemeint. Sondern den Satz GOTT SCHUF DEN MENSCHEN ZU SEINEM BILDE können wir verständlicher so wiedergeben: „Gott schuf den Menschen zu seinem Gegenüber“. Der geschaffene Mensch ist also Gesprächspartner, ist sein Gegenüber. Mit ihm will Gott Kontakt haben, mit ihm will er reden, er selber soll mit Gott reden. Ein lebendiges Gespräch soll zwischen Gott und Mensch stattfinden.
     

Schauen Sie jetzt in SB (= Sitzungsblatt) 3 Nr. 1: Gott hat den Menschen zu sei- nem Gegenüber geschaffen. Der Mensch ist also nur dann Mensch, wie Gott ihn ge- meint hat, wenn er im Kontakt mit Gott lebt. Dann kann Gott ihm etwas sagen, und auch er kann mit Gott sprechen wie ein mit seinem Vater in einem Vertrauensverhält- nis lebendes Kind. Wenn der Mensch Gott den Rücken kehrt, Gott also nicht mehr gegenübersteht, wenn er den Kontakt zu Gott unterbricht, sich also nichts von Gott sagen lassen will und das Gespräch mit Gott einstellt, dann verfehlt er das Mensch- sein, wie Gott es gemeint hat. Wenn die Bibel von „Sünde“ spricht, meint sie diese Verfehlung (Ps 14,1–3 soll vorgelesen werden)
       
Die zweite Schöpfungsgeschichte gibt in erzählerischer Weise wieder, was die erste mit dem Satz UND GOTT SCHUF DEN MENSCHEN ZU SEINEM BILDE (= Gegenüber / Gesprächspartner) zum Ausdruck bringt. Gott setzt den Menschen in den Garten Eden. Er spricht mit ihm und gibt ihm ein Gebot, das der Mensch halten, das er aber auch übertreten kann (1. Mose 2,16–17). Das bedeutet: Gott nimmt den Menschen als Gegenüber ernst. Er traut ihm gehorsames Verhalten gegenüber seinem Gebot zu. Er hat den Menschen also nicht als willenlose Marionette erschaffen, sondern als Gegenüber mit einem freien Willen. Gott gewährt dem Menschen Freiheit, die dem Menschen Verantwortlichkeit zuerkennt. Der Mensch kann seine Freiheit zum Guten wie zum Bösen gebrauchen. Dieser von Gott gewährte Freiraum hat für viele Menschen etwas Anstößiges. Wenn etwas Schlimmes geschieht, fragen viele: „Wie kann Gott das zulassen?“ 
             
Dennoch gilt: Gott GEBIETET dem Menschen (1. Mose 2,16). Ist der Mensch auch Gottes Partner mit Entscheidungsfreiheit, so bleibt er doch Mensch unter Gott. Gott gebietet nicht aus Willkür, sondern aus Fürsorge für den Menschen (1. Mose 2,17b). Das gilt übrigens auch für die zehn Gebote, die ein gedeihliches Leben der Menschen mit Gott – Gebote 1–3 – und der Menschen untereinander – Gebote 4–10 – zum Ziel haben.
    
Die Geschichte vom Sündenfall (1. Mose 3) macht uns dann deutlich, dass der Mensch Gottes guten Absichten bei der Gabe des Gebots misstraut. Er will nicht Mensch unter Gott sein, sondern er will wie Gott sein (1. Mose 3,4–6). Darüber werden wir in der nächsten Lektion näher nachdenken. Für unseren Zusammenhang ist wichtig: Der zu Gottes Bild geschaffene Mensch bleibt Gottes Gegenüber auch nach dem Fall. Gott hält die Gesprächsverbindung mit dem Menschen aufrecht. Er ruft: ADAM, WO BIST DU? (1. Mose 3,9). Adam antwortet daraufhin (1. Mose 3,10). Gott fordert die Menschen auf, sich vor ihm zu verantworten, und die Menschen antworten ihm (1. Mose 3,11–19).
 
Der Mensch – so machen uns beide Schöpfungsgeschichten klar – wurde von Gott also zu seinem verantwortlichen freien Gegenüber erschaffen. Im Gespräch mit Gott, in Verantwortung vor Gott soll der Mensch HERR sein über das WERK SEINER  (= Gottes) HÄNDE (Ps 8,7)
    


 
     
Kursleiter P. legt eine Folie mit der Grafik zu 1. Mose 1,27 von Hans Georg Anniès auf den OHP und fordert die Gruppe auf, die Grafik zu interpretieren. 
    
[Hinweis: Im „Handbuch für Kursleiter/innen zu ,Gottes Spuren entdecken!' / Teil I: AT“ hat Kursleiter P. „Sehhilfen“ zum besseren Verständnis der Grafik von H. G. Anniès vorgefunden. Wenn die Gruppe wichtige Datails einer Anniès-Grafik „übersieht“, kann Kursleiter P. die Blicke der Kursmitglieder von seiner Kenntnis der „Sehhilfen“ her darauf lenken.]
    
Sehhilfen: Die Grafik stellt die Freiheit des Menschen zum guten wie zum bösen Handeln dar: Der Mensch hält einen Baum („Leben“) in seinen Händen, der zugleich an einen Atompilz („Tod“) erinnert. Das zweifarbige Original bringt den Kontrast der beiden Möglichkeiten des Menschen noch stärker zum Ausdruck als der Schwarz- weißdruck in Lektion 2: Das Bild ist zweigeteilt. Die linke Bildhälfte ist in grüner und die rechte in roter Farbe wiedergegeben. Entsprechend sind auch die übergroß darge- stellten Hände des Menschen – Symbole für sein Handeln – in roter und grüner Farbe kontrastiert. 
   
4. Gottes Schöpfung soll vom
vierfachen Frieden bestimmt sein

     
1. Mose 1–3 setzen voraus, dass ein Bruch im Verhältnis zwischen der Menschheit und Gott besteht. In erzählerischer Form stellt die Geschichte vom Sündenfall (1. Mose 3) dar, dass das Misstrauen der Menschen Gott gegenüber für diesen Bruch verant- wortlich ist, dass aber Gott diesen Bruch nicht beabsichtigt hatte. Nach Gottes Wil- len sollte der Mensch als freies, Gott verantwortliches Gegenüber im Frieden mit Gott, mit sich selbst, mit anderen Menschen und mit der Natur leben. Machen wir uns dieses im „Rückschlussverfahren“ aus 1. Mose 1–3 klar: 
    
a) Friede mit Gott
Gott setzt den Menschen als Gärtner in einen üppigen Garten (1. Mose 2,8); EDEN heißt soviel wie „Wonneland“; der Wasserreichtum im Garten Eden (1. Mose 2,10–14) bedeutet für Menschen, zu deren Lebensraum Wüsten gehören, „überfließende Lebensmöglichkeiten“. Der Mensch soll den Garten BEBAUEN UND BEWAHREN (1. Mose 2,15). Im vertrauensvollen Gehorsam gegen Gott (1. Mose 2,16–17) soll der Mensch hier in ewiger harmonischer Gemeinschaft mit Gott leben (1. Mose 2,9: der Genuss der Früchte des BAUMES DES LEBENS war nicht verboten)
   
 

 
Schauen Sie jetzt in SB 3 Nr.2 : Das „Leben im Garten Eden“ ist ein Bild für das ungetrübte Leben des Menschen in Gottes direkter Gemeinschaft (1. Mose 3,8). Ent- sprechend bedeutet die Ausweisung aus dem Garten Eden die Aufhebung der direk- ten Gemeinschaft des Menschen mit Gott (1. Mose 3,22–24). Die Doppelpfeile des Dia- gramms bringen zum Ausdruck, dass das Verhältnis der Menschen zu Gott unge- trübt ist. Nichts steht zwischen Gott und den Menschen.
    
b) Friede mit sich selbst
    

Betrachten Sie SB 3 Nr.2 : Die Menschen im Garten Eden waren NACKT, doch SIE SCHÄMTEN SICH NICHT (1. Mose 2,25). Dem harmonischen Leben in Gottes direkter Gemeinschaft entspricht ein harmonisches Verhältnis der Menschen zu sich selbst. Sie sind mit sich selbst zufrieden, sie haben ein unmittelbares, natürliches Verhältnis zu sich selbst. Sie haben nichts zu verbergen, darum können sie ohne Scham nackt sein.
    
c) Friede mit anderen Menschen
     

Schauen Sie SB 3 Nr. 2 ƒ an: Das heilvolle Leben in Gottes direkter Gemeinschaft wirkt sich ferner in einem friedvollen Verhältnis der Menschen miteinander aus. Mann und Frau SCHÄMEN SICH NICHT voreinander (1. Mose 2,25). Sie akzeptieren einander, wie sie sind. Bedingungslos! 
    
d) Friede mit der Natur
     

Betrachten Sie SB 3 Nr. 2 : Das vertrauensvolle Leben in Gottes direkter Gemein- schaft im Garten Eden ist mit dem Auftrag verbunden, den Garten zu BEBAUEN und zu BEWAHREN (1. Mose 2,15). In enger Bindung an Gott nimmt der Mensch also Verantwortung für seinen Lebensraum wahr. Er macht sich – so drückt es die erste Schöpfungsgeschichte aus – die Erde UNTERTAN (1. Mose 1,28), d.h. dienstbar. Er nutzt die Erde mit ihrer Pflanzenwelt und ihren Bodenschätzen verantwortungsvoll und bewahrt sie vor Schädigungen.
  
Zur Natur gehört auch die Tierwelt. Im Akt der Benennung der Tiere ordnet der Mensch die Tiere seinem Lebensraum ein (1. Mose 2,19–20a). Zugleich übt er mit der Namensgebung ein Hoheitsrecht aus, wie es seiner Herrscherstellung gegenüber den Tieren entspricht (1. Mose 1,28). Friede herrscht zwischen Mensch und Tier und Tier und Tier: Menschen und Tiere sollen von pflanzlicher Nahrung leben (1. Mose 1,29–30)
    
e) Gott begabt den Menschen für seine besonderen Aufgaben an der Schöpfung
Eine harmonische Welt hatte Gott beabsichtigt, in der der Mensch im Frieden mit Gott, mit sich selbst, mit anderen Menschen und mit der Natur lebt. Innerhalb der Schöpfung hat Gott dem Menschen eine herrschaftliche Stellung zugewiesen. Doch wie ein Gärtner einen Garten pflegt, so soll der Mensch mit dem Lebensraum Erde verantwortlich umgehen. Um dieser Aufgabe nachkommen zu können, hat Gott den Menschen mit entsprechenden Gaben ausgerüstet. Dazu gehört der schöpferische Geist des Menschen, der ihn wesentlich von den Tieren unterscheidet: Der Mensch kann sich durch Sprache verständigen; er kann planen, bauen und anbauen; er kann technische Geräte herstellen; er kann wissenschaftlich forschen; er kann Gefühle ausdrücken; er ist zu künstlerischem Gestalten fähig. Ein reines Wunderwerk sind die Hände des Menschen, gewissermaßen „Universalwerkzeuge“.
   
f) Der vierfache Friede ist vom ungetrübten Verhältnis des Menschen 
zu Gott abhängig
     

Bitte schauen Sie in SB 3 Nr. 2 : Die Sprachfähigkeit des Menschen dient auch dem harmonischen Verhältnis von Gott und Mensch. Gott hat den Menschen mit sei- nen Aufgaben und Gaben ZU SEINEM BILDE, d.h. zu seinem Gegenüber erschaffen. Der Mensch soll also Gottes Gesprächspartner sein. Im vertrauensvollen Verhältnis zu Gott wird sich der Mensch von seinem göttlichen Herrn sagen lassen, wie er sich verhalten muss, damit Gottes Schöpfung SEHR GUT bleibt. Im vertrauensvollen Verhältnis zu Gott wird auch der Mensch mit Gott sprechen und ihm für das harmonische Leben in seiner Gemeinschaft danken. Alles hängt davon ab, dass das vertrauensvolle Verhältnis des Menschen zu Gott nicht gestört wird.