|
L.
28 |
DIE
ZEIT IST ERFÜLLT UND DAS REICH GOTTES IST HERBEIGEKOMMEN. TUT BUSSE
UND GLAUBT AN DAS EVANGELIUM! (Mk 1,15):
Jesu Verkündigung von der Herrschaft Gottes
(Matthäus
/ Markus / Lukas) |
|
|
|
1. |
DIE
ZEIT IST ERFÜLLT
(Mk 1,15a) |
|
a) |
Die Hoffnung der Propheten
auf Gottes offenbare Herrschaft |
|
b) |
Die Hoffnung der Zeitgenossen
Jesu auf die Durchsetzung der
Gottesherrschaft |
|
c) |
Jesus verkündigt,
dass das Reich Gottes in seinem Wirken
anbricht |
|
|
|
2. |
DAS
REICH GOTTES IST HERBEIGEKOMMEN (Mk 1,15b) |
|
a) |
Jesu Gleichnisse vom
Reich Gottes |
|
b) |
Das Gottesreich überwindet
die Macht des Bösen |
|
c) |
ARMEN WIRD DAS EVANGELIUM
GEPREDIGT
(Mt 11,5) |
|
d) |
DEIN REICH KOMME (Mt
6,10) |
|
|
|
3. |
TUT
BUSSE UND GLAUBT AN DAS EVANGELIUM (Mk 1,15c) |
|
a) |
Im Glauben „empfangen“
wir das Reich Gottes |
|
b) |
Das neue Leben in
Gottes Gemeinschaft |
|
c) |
UND FÜHRE UNS
NICHT IN VERSUCHUNG, SONDERN ERLÖSE UNS VON DEM BÖSEN (Mt
6,13) |
|
|
|
|
|
|
1. |
DIE ZEIT IST ERFÜLLT
(Mk
1,15a) |
|
|
|
a) |
Die Hoffnung der
Propheten auf Gottes offenbare Herrschaft |
(è
SB 40 Nr. 1)
Wie kein anderer Begriff, so prägt die Botschaft vom Reich
Gottes die Verkündigung und das Wirken Jesu. Himmelreich
meint sachlich dasselbe, vermeidet aber aus Respekt vor dem 2.
Gebot die Nennung des Gottesnamens. Reich Gottes oder Himmelreich
ist in der Bibel nicht im örtlichen Sinne eines Reichsgebietes
zu verstehen, sondern es meint soviel wie Herrschaft Gottes,
dass nämlich Gott, der Schöpfer des Himmels und der
Erde, seine Herrschaft über Menschen und Welt ausübt.
Im Zusammenhang der Besprechung der prophetischen Heilsverheißungen
hatten wir gesehen, dass Gott eine gänzlich neue Zeit heraufführen
wird (< L. 19 Nr. 3c), in der Israel und
die Menschheit zu einem neuen Verhältnis zu Gott finden
(< L. 19 Nr. 3b). Mit unterschiedlichen
Vorstellungen bringen die Propheten zum Ausdruck, wie sich in
dieser letzten Zeit Gottes dann offenbare Herrschaft verwirklicht
(< L. 19 Nr. 4a–d).
|
|
|
|
b) |
Die Hoffnung der
Zeitgenossen Jesu auf die Durchsetzung
der Gottesherrschaft |
Zur
Zeit Jesu spielte die Erwartung der Gottesherrschaft eine wichtige
Rolle (< L. 24 Nr. 5a erster Absatz), wenngleich
die Apokalyptiker, die Pharisäer oder auch die Zeloten unterschiedliche
Vorstellungen von der Verwirklichung der Gottesherrschaft hatten. Die
Apokalyptiker
(< L. 24 Nr. 3c) sprachen gerne von den zwei
Weltzeiten – einer gegenwärtigen und einer zukünftigen. Nach
dem Endgericht werden die Geretteten mit Gott in der Ewigkeit (in der zweiten
Weltzeit) zusammenleben.
Nach
pharisäisch-schriftgelehrter
Überzeugung übt Gott seine Herrschaft gegen- wärtig
über das Volk Israel aus, das – anders als die Heiden – mit
dem Geset- zesgehorsam und dem Bekenntnis zum Monotheismus (5.
Mose 6,4–5; < L. 7 Nr. 2) „das Joch der Königsherrschaft
des Himmels“ auf sich nimmt und so Gottes Herrsein anerkennt. Als große
Anfechtung wurde die heidnische Fremdherrschaft über Israel
empfunden. Deswegen betete der fromme Jude täglich im Achtzehnbittengebet
und an jedem Sabbat im Kaddisch darum, dass Gottes
Herrschaft offenbar werden möge: „Mach wieder unsere Richter wie zuerst,
und unsere Berater wie am Anfang! Herrsche über uns, alleinig du!“
(vgl. Ri 8,23). „Er lasse herrschen seine Königsherrschaft
zu euren Lebzeiten und zu euren Tagen ... in Eile und Bälde.“
Die
offenbare Aufrichtung der Königsherrschaft Gottes über
Israel und die Welt war nach einem alten jüdischen Zeugnis
für den gläubigen Juden gleichbedeutend mit der Vernichtung
der heidnischen Oberhoheit und ihres Götzendienstes: „Wenn
der Götzendienst ausgerottet sein wird samt seinen Verehrern
..., dann wird JHWH König sein über
die ganze Erde.“ Seine offenbare Herrschaft war als ein REICH
VON DIESER WELT (vgl. Joh 18,36) gedacht mit Israel an
der Spitze der Völker und Jerusalem als Hauptstadt
(vgl. Apg 1,6). (è
SB 40 Nr. 2)
Durch unbedingten Gesetzesgehorsam (<
L. 24 Nr. 3e2; L.27 Nr. 4b) versuchten die Pharisäer,
das Kommen des Messias und der Gottesherrschaft zu beschleunigen.
Durch antirömische militärische Aktionen wollten
die Zeloten (< L. 24 Nr. 4b) die
Verwirklichung von Gottes Reich vorantreiben und herbeiführen.
|
|
|
|
c) |
Jesus verkündigt,
dass das Reich Gottes in seinem Wirken anbricht |
Während
Jesus bei der Verwendung des Messiastitels Zurückhaltung übte,
um nicht im zelotischen Sinne missverstanden zu werden (<
L. 24 Nr. 5a), hat er den in seinem Volk gebräuchlichen Begriff
Reich/Herrschaft
Gottes aufgegriffen, auch wenn er damit andere Inhalte verband als
seine Zeitgenossen. Wie sie sah Jesus die vollkommene Aufrichtung
von Gottes Herrschaft als ein zukünftiges Geschehen an (s.u.).
Doch entgegen ihren Vorstellungen verkündigte er, dass das Reich Gottes
schon NAHE HERBEIGEKOMMEN, ja in seinem Wirken angebrochen
sei (z.B. Mt 4,17; 12,28; s. auch u.). Für die
Pharisäer etwa bedeutete der Anbruch der Gottesherrschaft die große
Wende auf Erden, die jedermann wahrnehmen konnte. Dieser Überzeugung
widersprach Jesus: DAS REICH GOTTES KOMMT NICHT SO, DASS
MAN'S BEOBACHTEN KANN; MAN WIRD AUCH NICHT SAGEN: SIEHE, HIER IST ES! ODER:
DA IST ES! DENN SIEHE, DAS REICH GOTTES IST MITTEN UNTER EUCH (Lk 17,20–21).
|
|
|
|
|
|
|
2. |
DAS REICH GOTTES
IST HERBEIGEKOMMEN (Mk 1,15b) |
|
|
|
a) |
Jesu Gleichnisse
vom Reich Gottes |
Auf
die Einwände der religiösen Führer seines Volkes
hat Jesus insbesondere mit Gleichnissen (Vergleichsgeschichten)
geantwortet (è
SB 40 Nr. 11).
Ihrem Anstoß an dem von ihm behaupteten Anbruch des Gottesreiches
ist er mit sogenannten Kontrastgleichnissen begegnet, bei
denen der Schwerpunkt des Vergleichs auf dem unscheinbaren Anfang
und dem überwältigenden Ende liegt. Diese Gleichnisse
wollen DAS GEHEIMNIS DES REICHES GOTTES erschließen
(Mk 4,11).
Im
Gleichnis vom Sämann (Mk 4,1–9) ist zunächst
ausführlich vom vergeblichen Tun das Sämanns die Rede
(4,3–7), doch dann stellt sich 30-, 60- und 100-fältige Frucht
ein (4,8; ein sieben- bis zwölffacher Ertrag galt zu
Jesu Zeit als ein gutes Ernteergebnis). Dieses Gleichnis will
sagen, dass das in Jesu Wort und Wirken anbrechende Reich Gottes sich
so gewiss durchsetzen wird, wie auf die Arbeit eines Sämanns eine
unerwartet gute Ernte folgte.
(è
SB 40 Nr. 4)
Geht nach jüdischer Überzeugung dem Beginn der Heilszeit
das Endgericht voraus (Mt 3,7–12),
so ist das Gericht nach Jesus eine Folge von Gottes Heilsangebot,
das er uns Menschen durch Jesus macht (Mt 11,4–5
= Jes 35,5.6; 61,1; s. L. 26 Nr. 3d2). Man kann dieses
Heil in kindlichem Glauben annehmen (z.B. Mk 10,14–15)
oder sich davon ausschließen, indem man Anstoß an
dem gottgesandten, doch menschlichen Verkündiger und Bringer
des Gottesreiches nimmt (Mt 11,6; Joh 3,16–19; <
L. 25 Nr. 2 und Nr. 3c; L. 27 Nr. 6; Mk 3,28–30: wer bestreitet,
dass Gott durch seinen Geist in Jesu Worten und Taten wirkt, HAT
KEINE VERGEBUNG IN EWIGKEIT = hat sich selber von Gottes
durch Christus übermitteltes Vergebungsangebot ausgeschlossen).
In
den Gleichnissen vom Unkraut unter dem Weizen (Mt
13,24–30) und vom Fischnetz (Mt 13,47–50)
ist vom Himmelreich die Rede, das gegenwärtig nicht als lupenreine
„Gemeinschaft der Heiligen“ erfahrbar ist. Das Gericht (= die Scheidung
von „Unkraut“ und Weizen“ bzw. von „guten“ und „schlechten“ Fischen) steht
nicht am Beginn des Gottesreichs, sondern an seinem Ende. Nicht
Menschen vollziehen das Gericht, sondern Gott (Mt
13,28–30.49–50). So ist das in Jesu Worten und Wirken anbrechende
Gottesreich keine eindeutige, jedermann erkennbare Größe, in
der Sünde, Böses, Leid und Tod gänzlich überwunden
sind. Jesu Krankenheilungen und sein vergebendes Wort sind als Zeichen
dafür anzusehen, dass Gottes Reich NAHE HERBEIGEKOMMEN
(Mt 4,17) ist.
Mit
den Kontrastgleichnissen vom Senfkorn und vom Sauerteig (Mt
13,31–32.33) versucht Jesus, auf den Anstoß seiner Zeitgenossen
einzugehen, den ihnen der unscheinbare Anfang des Gottesreiches in seinem
Wirken bereitet: Wie aus einem ganz kleinen Senfkorn (Anfang) ein mächtiger
Baum wird (Ende), wie eine geringe Menge Sauerteig (Anfang) die Riesenmenge
von einem halben Zentner Mehl durchsäuert (Ende), so wird auch durch
Jesu zeichenhaftes Reden und Tun (Anfang) das Reich Gottes einst vollendete,
offenbare Wirklichkeit werden (Ende).
„Genau
durch dieses unscheinbare Wirken Jesu und nur auf diesem Wege kommt das
Reich Gottes, durch das alles neu wird. Das Gleichnis ist auch heute unvermindert akut:
Was ist nach einer zweitausendjährigen Geschichte des Christentums
als Weltreligion von dem neuen Menschen und der neuen Welt zu sehen? Nichts
als das Senfkorn! Menschen, die durch die Botschaft zu Glauben und Nachfolge
berufen sind. Und doch kommt so und nur so die neue Welt; das ist nach
Ostern gewisser als vorher“ (Leonhard Goppelt).
|
|
|
|
b) |
Das Gottesreich überwindet
die Macht des Bösen |
Weil
Jesu Anspruch mit den in seinem Volk verbreiteten Heilsvorstellungen nicht
in Übereinstimmung zu bringen war, wurde seine Vollmacht immer wieder
in Frage gestellt (< L. 25 Nr. 2). Eine Krankenheilung
(Lk
11,14) führte zu einer doppelten Reaktion: Einige unterstellten Jesus,
dass er DIE BÖSEN GEISTER in der Kraft BEELZEBULS,
IHRES OBERSTEN austreibe (11,15),
dass er also mit dem Teufel im Bunde stehe. Andere forderten ihn auf,
zu beweisen, dass er im Auftrage Gottes gehandelt habe (das
ZEICHEN VOM HIMMEL [= von Gott] würde das offenbar machen: 11,16).
Jesus entgegnete daraufhin zweierlei:
(1)
Das Reich des Bösen mit dem Satan an seiner Spitze löst sich
nicht von selber auf. Wenn Jesus den lebensschädigenden Kräften
des Bösen (DEN BÖSEN GEISTERN) Einhalt
gebietet, dann ist in ihm ja ein STÄRKERER erschienen,
der die Macht des Bösen – ob man sie personifiziert oder nicht – überwindet,
d.h. DIE BEUTE VERTEILT (Lk 11,17–18.21–22).
(2)
(è
SB 40 Nr. 5)
Darum sind Jesu Heilungen als Zeichen der bereits angebrochenen
Gottesherrschaft zu verstehen, die sich gegen die lebenshemmende
Macht des Bösen durchsetzt: WENN ICH ABER DURCH
GOTTES FINGER DIE BÖSEN GEISTER AUSTREIBE, SO IST JA DAS
REICH GOTTES ZU EUCH GEKOMMEN (Lk 11,20; s. Genaueres in L. 26
Nr. 3d2; von der Gegenwart des Gottesreiches im Wirken Jesu sprechen
auch Mk 2,18–22; 4,21– 22; Mt 13,15–17; 16,19; 18,18; Lk 10,3–12).
|
|
|
|
c) |
ARMEN WIRD DAS EVANGELIUM
GEPREDIGT (Mt 11,5) |
Auf
die Anfrage des Täufers antwortet Jesus: SAGT JOHANNES
WIEDER, WAS IHR HÖRT UND SEHT (Mt 11,4). Die Zeichen und Wunder
Jesu – etwa die Krankenheilungen (Mt 11,5; < L. 25 Nr.
3d2) – kann man sehen. Hören kann man, dass DEN
ARMEN DAS EVANGELIUM GEPREDIGT WIRD (Mt 11,5). In Jesu Predigt und
Handeln kommt Gottes Reich zu uns Menschen (Mt 4,23; 9,35;
Lk 4,16–22). Es ist für Menschen bestimmt, die durch ihre
materielle Armut gelernt haben, dass sie auf Gott angewiesen sind. Es gilt
Menschen, die GEISTLICH ARM SIND (Mt 5,3), die also
begreifen, dass sie Gottes heilvolle Gemeinschaft nötig haben
(Mt
11, 28–30; Lk 14,16– 23: die Teilhabe am Reich Gottes wird in der Bibel
gerne mit der Teilnahme an einem Festmahl verglichen: Lk 13,29; 14, 15;
Mk 14,25; Jes 25,6–8 [< L. 19 Nr. 4d letzter Absatz]). Sie sind
offen für Jesu Predigt von der Barmherzigkeit und Menschenliebe
Gottes
(< L. 27 Nr. 1a). Sie lassen sich durch
die Vergebung der Sünden neu in Gottes Gemeinschaft hineinnehmen
(z.B. Lk 7,36–50; 18,13; Mk 2,1–12), die in Jesu Tischgemeinschaft
mit Zöllnern und Sündern sichtbaren Ausdruck findet (Mk
2,14–17).
Jesu
Wirken bedeutet HEIL für Menschen, die wie der
Oberzöllner Zachäus ohne Gottes Gemeinschaft VERLOREN
gingen (Lk 19,9.10). Im Gleichnis vom barmherzigen
Vater und seinen zwei Söhnen nimmt der Vater den VERLORENEN
Sohn, der mit ihm nichts mehr zu tun haben wollte, neu in seine Gemeinschaft
auf (15,12–23). Dieser Akt der Vergebung bedeutet
neues Leben: DENN DIESER MEIN SOHN WAR TOT UND IST WIEDER
LEBENDIG GEWORDEN; ER WAR VERLOREN UND IST GEFUNDEN WORDEN. UND SIE FINGEN
AN, FRÖHLICH ZU SEIN (15,24).
|
|
|
|
d) |
DEIN REICH KOMME (Mt 6,10) |
Wird
in den Evangelien auch immer wieder deutlich, dass Gottes Reich im Wirken
Jesu anbricht, so teilt Jesus mit seinem Volk doch die Überzeugung,
dass Gottes Reich auch eine zukünftige Größe ist.
Darum sollen die Jünger beten: DEIN REICH KOMME (Mt
6,10). Darum sagt er beim Abendmahl: WAHRLICH, ICH
SAGE EUCH, DASS ICH NICHT MEHR TRINKEN WERDE VOM GEWÄCHS DES WEINSTOCKS
BIS AN DEN TAG, AN DEM ICH AUFS NEUE DAVON TRINKE IM REICHE GOTTES (Mk
14,25; s. auch 9,47; Mt 5,4–12; 7,21). Das Verhältnis vom in
der Gegenwart angebrochenen und doch auch zukünftigen Gottesreich
ist so zu bestimmen, dass im zukünftigen Reich Gottes offenbarsein
wird, was im Wirken Jesu (und seiner Kirche) zeichenhaft Wirklichkeit
ist. Ist jetzt das Senfkorn wahrnehmbar, so wird dann der Baum zu sehen
sein (s.o. Nr. 2a; s. auch L. 19 Nr. 6!).
(è
SB 40 Nr. 4)
Mit dem Offenbarwerden der Gottesherrschaft ist nach Jesu Verkündigung
das Endgericht verbunden, in dem die Menschen sich dafür
zu verantworten haben, wie sie auf das Heil reagierten, das Gott
ihnen in Jesu Worten und Werken anbot (s.o. und
z.B. auch Mt 11,20–24; Lk 10,8–12; Mt 25,31–46). Jesus
lässt es unbestimmt, wann Gottes Herrschaft offenbare
Wirklichkeit wird: VON DEM TAGE ABER UND DER STUNDE
WEISS NIEMAND, AUCH DIE ENGEL IM HIMMEL NICHT, AUCH DER SOHN NICHT,
SONDERN ALLEIN DER VATER (Mk 13,32). So ungewiss der Zeitpunkt
des Endgerichts und des sichtbaren Anbruchs der Gottesherrschaft
ist, so gewiss kann Gottes Reich jedoch plötzlich offenbar
werden. Für den Christen gilt es darum, schon jetzt wachsam
und verantwortungsvoll zu leben.
Dazu
rufen die Gleichnisse Mt 24,43 – 25,30 auf, die mit den Worten eingeleitet
werden: DARUM WACHET; DENN IHR WISST NICHT, AN WELCHEM TAG
EUER HERR KOMMT (Mt 24,42; s. auch 26,64). Gerade weil es
so aussieht, dass der HERR NOCH LANGE NICHT KOMMT (Mt 24,48), ist Wachsamkeit
geboten, sich nicht an die Welt zu verlieren (Mt
24,37–39) und die Verantwortung für das eigene Leben wie für
das anderer Menschen zu vernachlässigen (Mt 24,49).
Nur wer sein Leben jederzeit verantwortlich lebt
(Mt
25,1–13: Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen),
der kann im Gericht auch Rechenschaft ablegen über das, was er EMPFANGEN
(!) hat (Mt 25,14–30: Gleichnis von den anvertrauten Zentnern
[= riesige Geldsumme]). Jesus will uns Menschen mit diesen auch
das Endgericht ansprechenden Gleichnissen keine Angst einflößen,
sondern unser Verantwortungsgefühl Gott und unserem Nächsten
gegenüber in unserem irdischen Leben stärken, damit
es einst auch bei uns heißen kann: GEH HINEIN ZU DEINES
HERRN FREUDE! (Mt 25,21.23; < L. 27 Nr. 3b).
|
|
|
|
|
|
|
3. |
TUT BUSSE UND GLAUBT AN DAS EVANGELIUM (Mk
1,15c) |
|
|
|
a) |
Im Glauben „empfangen“
wir das Reich Gottes |
Das Vaterunser macht uns deutlich, wie Jesus seine Jünger
in sein vertrauensvolles Verhältnis zu Gott, dem himmlischen Vater, mit hineinnahm
(<
L. 25 Nr. 4b). In dieser Haltung kindlichen Vertrauens gelangen
wir Menschen unter Gottes Herrschaft: WAHRLICH, ICH SAGE
EUCH: WER DAS REICH GOTTES NICHT EMPFÄNGT WIE EIN KIND, DER WIRD NICHT
HINEINKOMMEN (Mk 10,15.14; Mt 18,3). Jesus – der Ankündiger
und Bringer des Gottesreichs – fordert die Menschen immer wieder zu gläubigem
Vertrauen auf (z.B. Mk 1,15c; Mt 17,20; < L. 26 Nr. 3b
erster Absatz). Doch bedeutet dieses nicht, dass der Glaube als
eine menschliche Vorleistung anzusehen wäre, ohne die kein Mensch
in Gottes Reich käme.
(è
SB 40 Nr. 6)
Wir hatten bereits festgestellt, dass der
Glaube als Gottes Geschenk an uns Menschen zu begreifen
ist (< L. 25 Nr. 5c). In dem Doppelgleichnis
vom Schatz im Acker und der kostbaren Perle (Mt
13,44.45–46) wird der Geschenkcharakter des Gottesreiches
eindrücklich. Wie in dem Gleichnis von den Arbeitern im
Weinberg(Mt 20,1–16) Gottes Güte,
die den Menschen anstößig ist (20,15),
und nicht die menschliche Leistung (20,12)
als Maßstab des Gottesreiches herausgestellt werden
(20,1), so begegnen uns auch im Doppelgleichnis vom Schatz
im Acker und der kostbaren Perle zwei recht unterschiedliche Menschen,
denen Gott gleichermaßen in den Weg tritt:
Der
Perlenkaufmann ist ein suchender Mensch, dem es nach der
Verheißung Jesu ergeht: SUCHET, SO WERDET
IHR FINDEN (Mt 7,7). Bei seiner Suche
nach Gott (= nach GUTEN PERLEN) findet er
in Gottes Gemeinschaft (= EINE KOSTBARE PERLE).
Diese Gemeinschaft wird ihm so wichtig, dass er alles verkauft,
was bislang an Werten und Gütern sein Leben ausgemacht hat,
um diese eine Perle – Gottes Gemeinschaft – zu erwerben.
In diesem Prozess des Suchens, Findens, der Hingabe und des Erwerbens
der Gemeinschaft Gottes wird die Hineinnahme dieses Menschen in
den Herrschaftsbereich Gottes Wirklichkeit (è
SB 40 Nr. 10).
– Ganz anders geht es bei dem Landarbeiter zu. Er hat Gott nicht
gesucht und doch in seine Gemeinschaft gefunden: Bei der Feldarbeit
(= zufällig) findet er einen Schatz (= Gottes Gemeinschaft),
freut sich riesig darüber, gibt alles hin, was ihm bislang
im Leben wertvoll war, um den Acker zu erwerben, in dem der Schatz
verborgen liegt. Auf solche Weise wird dieser Mensch „Bürger
des Reiches Gottes“.
Jesus
sagt mit diesem kurzen, aber sehr inhaltsreichen Doppelgleichnis: Wenn
Menschen in Gottes Reich hineinfinden, dann hängt das nicht von ihrer
Leistung ab. Dem suchenden Menschen begegnet Gott in seinem Leben ebenso
wie dem, der überhaupt nicht nach ihm fragt. Beide erleben aber dasselbe:
Die Erfahrung von Gottes Nähe löst in ihnen große Freude
aus. Zugleich kehrt sie ihre bisherigen Güter- und Wertevorstellungen
um. Darum kehren sie um (= sie TUN BUSSE: Mk 1,15c)
und geben ihr bisheriges gott-loses Leben auf, um hinfort als Bürger
des Reiches Gottes mit Gott zu leben.
|
|
|
|
b) |
Das neue Leben in Gottes Gemeinschaft |
(è
SB 40 Nr. 7)
Das Leben in der Gemeinschaft des barmherzigen Gottes (= unter
der Herrschaft Gottes) unterscheidet sich von einem Leben ohne
Gott nicht unerheblich (Lk 15,24.32: es ist wie
der Unterschied von Tod und Leben; s. auch Mt 8, 22; Joh 3, 36).
Wo das Vertrauen auf Gott, den himmlischen Vater, das Leben eines
Menschen bestimmt (1. Gebot), da kann er frei werden von
der Vergötzung irdischer Güter wie Geld und Besitz (Mt
6,24; Lk 12,13–15), frei von der Sicherung des Lebens
an Gott vorbei (Lk 16,16–21; Mt 6,27), frei
zur Wahrhaftigkeit (Mt 5, 37; 6,1–3.5–8.16–18),
frei zum Verzicht (Mt 5,38–42), zur
Vergebung (Mt 6,12; 18, 21–35; < L. 27 Nr. 1a)
und zur uneingeschränkten Liebe (Mt
5,43–48; < L. 27 Nr. 3).
Dieses
besonders dicht in der Bergpredigt beschriebene Leben als Bürger
des Gottesreiches ist nicht als eine Liste von Forderungen zu verstehen,
die wir Menschen zu erfüllen haben. Sondern es handelt sich auch
hier um ein EVANGELIUM, also um eine frohe Botschaft.
Jesus verheißt uns: Wenn ihr Menschen in Gottes Gemeinschaft
gefunden habt, dann wird Gottes Herrschaft auch auf euer Leben abfärben,
dass ihr zu besonderem Verhalten in dieser gottabgewandten Welt fähig
werdet. Darum TRACHTET ZUERST NACH DEM REICH GOTTES UND NACH
SEINER GERECHTIGKEIT, SO WIRD EUCH DAS ALLES ZUFALLEN (Mt 6,33).
Wenn Gott von den an ihn Glaubenden besonderes Verhalten erwartet, dann
befähigt er sie auch dazu, wie die neutestamentliche Rede von der
prägenden Kraft des Wortes Christi oder des Heiligen Geistes bezeugt
(Wort
Jesu: Mt 13,23; 24,35; Mk 2,2; Lk 5,5; Joh 6,63 – Geist Gottes: Mt 12,28;
Mk 13,11; Joh 16,5–13; Apg 1,8).
Die
bei Matthäus in der Bergpredigt (Mt 5–7)
zusammengestellten Jesusworte wirken wie eine Überforderung besonders
dann, wenn man sie als gesetzliche Dienstanweisung Jesu für jeden
Christen versteht. Darum sagt Claus Westermann: „Für unser Verstehen
der Bergpredigt ist es zunächst eine Befreiung, wenn deutlich geworden ist,
dass keine dieser Forderungen an jeden Christen zu jeder Zeit
und in jeder beliebigen Situation gerichtet, sondern jede ein Ruf zu einem
besonderen, außerordentlichen, zeichenhaften Tun ist“, das die Nähe
und Wirklichkeit des Reiches Gottes bezeugt. So ist auch die Aufforderung
Jesu an den reichen Jüngling, alles zu verkaufen, was er hat,
es den Armen zu geben und danach Jesus nachzufolgen (Mk
10,21), keine gesetzliche Forderung an jeden Christen, sondern Jesu
konkretes Wort an diesen jungen Mann in der dargestellten Situation (Mk
10,17– 21a).
Und
dennoch gilt von dieser Geschichte
(s. Mk 10,22–27)
wie auch von der Bergpredigt, dass man sich davor hüten muss, sich
dem Anspruch Jesu vorschnell zu entziehen: „Jeder Hörer der Bergpredigt
ist immer neu gefragt, ob etwa gerade von ihm, ob et-wa gerade in seiner
Situation das Zeichen eines solchen Handelns erwartet ist, ob nicht eines
der Worte der Bergpredigt gerade für ihn und gerade für diese
Stunde, in der er das Wort hört, gesagt ist“ (Claus Westermann). Gott
befähigt uns zu Verhaltensweisen, die dem Leben unter seiner Herrschaft
angemessen sind: BEI DEN MENSCHEN IST'S UNMÖGLICH, ABER
NICHT BEI GOTT; DENN ALLE DINGE SIND MÖGLICH BEI GOTT (Mk 10,27).
|
|
|
|
|
|
|
c) |
UND FÜHRE UNS
NICHT IN VERSUCHUNG, SONDERN ERLÖSE UNS VON DEM BÖSEN (Mt
6,13) |
|
|
|
Wir
hatten herausgearbeitet, dass wir Menschen in gläubigem Vertrauen
(s.o. Nr. 3a) in Gottes Gemeinschaft finden (= Überwindung der Gottesferne,
der Sünde). Unter dem Einfluss von Jesu Wort und Gottes Geist führen
wir dann als Bürger des Reiches Gottes ein anderes Leben als Menschen,
die Gott nicht kennen. Dieses
NEUE Leben
(2. Kor 5,17) ist im Grunde nichts anderes als eine erneute Verwirklichung des vierfachen Friedens, der durch die misstrauische Auflehnung
des Menschen gegen Gott zerstört wurde (< L. 3 Nr.
2b–c und Nr. 3).
(è
SB 40 Nr. 9)
Wer durch das Evangelium von der Menschenliebe Gottes Zutrauen
zu Gott gewonnen hat, wer wie der verlorene Sohn in Gottes Gemeinschaft
zurückfand, dessen Leben wird vom vierfachen Frieden geprägt:
Er wird Gott nicht mehr davonlaufen, sondern die Gemeinschaft
mit ihm pflegen (= Friede mit Gott). Er wird sich selber durch
die Botschaft der Bibel besser verstehen und annehmen lernen (=
Friede mit sich selbst). Seine Nächstenliebe (= Friede mit
anderen) und seine Achtung vor Gottes Schöpfung (= Friede
mit der Natur) werden unter dem Einfluss des Wortes Jesu wachsen
(Mt 7,17–18.24–27; Mk 4,8; Joh 15,1–8; s. Genaueres
in L. 3 Nr. 5).
Doch
auch dieses gilt es zu berücksichtigen: Das Reich Gottes ist noch
keine
offenbare Größe (s.o. Nr. 2d).
WIR SIND, wie es Paulus sagt, ZWAR GERETTET, DOCH
AUF HOFFNUNG (Röm 8,24; < L.19 Nr.6). WIR WANDELN IM GLAUBEN UND
NICHT IM SCHAUEN (2. Kor 5,7). Wir beten darum immer wieder: DEIN
REICH KOMME. Solange das Reich Gottes noch nicht vollendete Wirklichkeit
ist, haben wir Christen wachsam zu sein, dass unser Verhältnis zu
Gott nicht Schaden leidet: WACHET UND BETET, DASS IHR NICHT
IN VERSUCHUNG FALLT! DER GEIST IST WILLIG; ABER DAS FLEISCH IST SCHWACH
(Mk 14,38). Im Neuen Testament wird die – zumeist im „Satan“ personifizierte
– Macht des Bösen ganz ernst genommen (Mk 4,3–9.15–19;
8,33; Mt 7,13–14; 13, 25.28.39; Lk 13,16; 22,3; Joh 8,43–45; Apg 5,3).
Zugleich wird verkündigt, dass Jesus diese Macht überwunden
hat (Mt 4,10; Mk 3,27; Lk 10,18; Joh 16,33; s. Genaueres
in L. 26 Nr. 2). Im Vertrauen darauf können wir uns jederzeit
an den wenden, DER VERSUCHT WORDEN IST IN ALLEM WIE WIR,
DOCH dabei OHNE SÜNDE geblieben ist, DAMIT
WIR BARMHERZIGKEIT EMPFANGEN UND GNADE FINDEN ZU DER ZEIT, WENN WIR HILFE
NÖTIG HABEN (Hebr 4,15–16).
Weil
Gottes Reich erst in der Zukunft offenbar wird, haben wir Menschen
Gott immer wieder darum zu bitten, uns vor dem Abfall von
ihm (VERSUCHUNG – s. Lk 22,31–32; Mk 9,42–47) zu
bewahren und von der Macht DES BÖSEN
zu ERLÖSEN (Mt 6,13; 1. Petr 5,8; Röm
8,31–39). Was auf Erden zeichenhaft begann (SENFKORN:
Mt 13,31), das soll im offenbaren Reich Gottes einst vollendete
Wirklichkeit werden (BAUM: Mt 13,32; s.o. Nr. 2a).
(è
SB 40 Nr. 8)
Jegliches gottfeindliche Wesen wird dann gänzlich überwunden
sein, wie auch der vierfache Friede in einer die erste Schöpfung
überbietenden Weise das Leben in Gottes direkter Gemeinschaft
bestimmt (Mt 25,41; 1. Kor 15,20–26.54–57; Offb
20,14; 21,3–5; 22,1–5).
|
|
|
|
Grafik zu Lk 15,11–32 von Hans Georg Anniès
|
|
|